Mitarbeiter­aktivismus: Wandel zur sozialen Verant­wortung

Durch globale Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine, der fortschreitende Klimawandel oder die Erstarkung nationalistischer Tendenzen, hat der sogenannte Mitarbeiteraktivismus in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiteraktivismus, auf Englisch Employee Activism, beschreibt das Engagement von Arbeitnehmenden, sich aktiv an sozialen, ökologischen und ethischen Fragen zu beteiligen.

Dieses Engagement erwarten sie auch von ihren Arbeitgebern. Gerade jüngere Generationen legen mehr Wert auf soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Und sie wollen in Firmen arbeiten, welche diese Werte teilen.

In der Vergangenheit haben Arbeitnehmende primär Gewerkschaften und Streiks genutzt, um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu erkämpfen. Sie haben also in erster Linie für sich selbst gekämpft. Im Zuge des allgemeinen kulturellen Wandels hin zu mehr sozialem Bewusstsein und Verantwortlichkeit, geht das Engagement über den Kampf für die eigenen Vorteile hinaus und beinhaltet auch gesellschaftliche Aspekte.

Druck auf die Arbeitgeber 

Mitarbeiteraktivismus kann verschiedene Formen annehmen, wie etwa interne Interessengruppen oder Ausschüsse, die sich mit bestimmten Themen zu Nachhaltigkeit oder sozialen Gerechtigkeit befassen. Diese Gruppen können Empfehlungen an die Unternehmensführung aussprechen und Projekte initiieren, die das Unternehmen in eine sozial verantwortliche Richtung lenken.

Es können aber auch externe Aktionen durchgeführt werden. Wenn etwa Mitarbeitende soziale Medien, offene Briefe oder Petitionen nutzen, um ihre Anliegen öffentlich zu machen. Damit können sie ihren Arbeitgeber unter Druck zu setzen. Diese Aktionen können eine breite Öffentlichkeit mobilisieren und das Unternehmen zwingen, auf die Forderungen der Mitarbeiter einzugehen.

Reputationsrisiko im Blick

Beispiele für erfolgreichen Mitarbeiteraktivismus gab es in den letzten Jahren etwa bei Google, als Mitarbeiter weltweit gegen das Management des Unternehmens im Umgang mit Fällen sexueller Belästigung protestierten. Dies führte zu erheblichen Veränderungen in den Richtlinien des Unternehmens.

Amazon kündigte eine umfassende Klimaschutzinitiative an, nachdem Mitarbeiter öffentlich Druck ausgeübt hatten. Und Starbucks-Mitarbeiter haben erfolgreich für mehr Diversität und Inklusion im Unternehmen gekämpft und Initiativen zur Unterstützung benachteiligter Gemeinschaften durchgesetzt.

Für Firmen gibt es zahlreiche Risiken, die mit Mitarbeiteraktivismus verbunden sind. Aktivismus am Arbeitsplatz kann zu Spannungen zwischen Mitarbeitern und der

Unternehmensleitung führen. Hier ist eine frühe und offene Kommunikation wichtig, um konstruktive Lösungen zu finden.

Es bestehen auch Reputationsrisiken, öffentlichkeitswirksame Proteste und Kampagnen können die Reputation eines Unternehmens gefährden und zu Umsatzverlusten führen. Unternehmen müssen daher sorgfältig abwägen, wie sie auf die Forderungen ihrer Mitarbeiter reagieren. Arbeitgeber sollten sich dialogbereit zeigen, aber klar Regeln und Grenzen aufzeigen.

Sinnhaftigkeit der Arbeit

Auch rechtliche Fragen gilt es zu beachten: In einigen Ländern kann Mitarbeiteraktivismus rechtliche Konsequenzen haben. Unternehmen und Mitarbeiter müssen sich der rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst sein, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Der Betriebsfrieden muss gewahrt bleiben, Arbeitnehmende müssen ihren Arbeitsvertrag erfüllen, damit Unternehmen ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit nachkommen können. Nach wie vor gilt: Arbeit ist der Tausch von Zeit und Kraft gegen Geld.

Für viele Mitarbeitende reicht dies allerdings nicht, um sich wirklich längerfristig an das Unternehmen zu binden. Für sie ist auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit wichtig. Und dazu gehört genauso auch das Verhalten ihres Arbeitgebers. Dies bietet Chancen, denn Unternehmen, die proaktiv auf die Anliegen ihrer Mitarbeiter eingehen und sich für soziale Verantwortung einsetzen, werden langfristig erfolgreicher sein.

Unternehmen müssen sich bewusst sein: Wenn sie mit Schlagworten wie Nachhaltigkeit, Diversität oder Gendergerechtigkeit werben, ziehen sie die entsprechenden Mitarbeitenden an. Und diese fordern diese Punkte mit Nachdruck ein, verlangen mehr soziale Verantwortung und ethisches Verhalten von ihren Arbeitgebern. Eine Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Unternehmensführung kann zu innovativen Lösungen führen, die sowohl das Unternehmen als auch die Gesellschaft voranbringen.